Anonym

demokratie mit einem kleinen "d"

(1962)

 



Anmerkung von John Zube

Dieser Text führt sehr gut in die grundlegende panarchistische Idee ein.
Der Beitrag erschien ursprünglich in "THE REGISTER", Drawer 1318, Santa Ana, California USA, an Independent Freedom Newspaper, am 12. Januar 1962. Dessen Grundsätze werden dort so erläutert: „'Das Register' glaubt, dass jeder Mensch auf Dauer davon profitieren würde, wenn es ihm erlaubt wäre, das, was er selbst erarbeitet hat, auch selbst zu verwenden, auf Grundlage freier Übereinkunft und nicht durch erzwungene Zuteilung.“

Anmerkung des Übersetzers

In der Übersetzung des Textes wurden Verweise auf amerikanische Politiker der 1960er Jahre (Kennedy, Nixon) durch die Namen von Politikern unserer Zeit ersetzt. Ansonsten ist die Übersetzung getreu dem Originaltext. Wer bei der Lektüre dieses Aufsatzes eine beträchtliche Menge an Ratlosigkeit verspürt, sollte sich die extreme Ratlosigkeit derjenigen vorstellen, die in vergangenen Jahrhunderten die Idee, dass verschiedene religiöse Bekenntnisse auf demselben Territorium koexistieren könnten, für völlig absurd und unpraktisch hielten. Deshalb brauchen wir eine neue Aufklärung, die die Toleranz von der religiösen auf die politische Sphäre ausdehnt. Nur dann werden die in diesem Text dargelegten Ideen, die auf den ersten Blick so seltsam und bizarr erscheinen, völlig einfach und sogar banal erscheinen und als völlig selbstverständlich akzeptiert werden.

 


 

"In einer politischen Demokratie entscheiden nur die Stimmen für den Mehrheitskandidaten oder
den Plan der Mehrheit über den Verlauf der Dinge. Die Stimmen, die von einer Minderheit
abgegeben werden, bestimmen die Politik nicht unmittelbar. Auf dem Markt geht keine Stimme
verloren. Jeder verausgabte Betrag, er mag noch so klein sein, übt seine Wirkung auf die
Produktion. Die Entscheidung des Verbrauchers setzt sich mit dem ganzen Gewicht, das er ihr durch
die Aufwendung eines Geldbetrages gibt, durch." (Ludwig von Mises, Human Action, 1949)

 

Es herrscht in diesem Land viel Verwirrung über den Begriff „Demokratie“. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet eigentlich „Herrschaft des Volkes“ oder vielleicht auch „Herrschaft durch das Volk“. Aber wenn das Wort nicht groß geschrieben wird, bezieht sich seine tatsächliche Bedeutung eher auf den Markt als auf die Politik. Wenn es aber groß geschrieben wird, wie dies in diesem Land üblich ist, dann ändert sich seine Bedeutung.

In einer Demokratie trifft eine Mehrheit Entscheidungen, die für alle verbindlich sind. Wenn das Konzept der Demokratie auf den Markt angewendet wird, trifft jeder Mensch Entscheidungen, die nur für ihn selbst verbindlich sind und für alle anderen, die direkt daran beteiligt sind. Der demokratische Prozess (mit kleinem d) bedeutet keine Kontrolle von einigen durch andere; er bedeutet Kontrolle eines jeden durch sich selbst.

Schauen wir, wie es funktioniert. Auf dem Markt gehen Sie in einen Laden und kaufen eine Dose Bohnen. Sie sind durch Ihre Entscheidung gebunden. Sie haben sich aus Gründen, die nur Sie selbst kennen, für den Erwerb einer Dose der Firma X entschieden. Der Name steht auf dem Etikett. Sie wissen nicht, ob Bohnen in der Dose sind. Man kann die Bohnen nicht sehen. Aber zum Teil wegen dem Etikett, zum Teil aufgrund von Erfahrung vertrauen Sie der Firma. Sie tauschen Ihr Geld gegen eine Dose ein. Dies ist eine Stimmabgabe auf dem Markt. Dies ist Ihre Stimme für die Firma, die Sie unterstützen.

Es ist für Sie bindend. Sie müssen für die Dose den angegebenen Preis zahlen. Sie müssen sie nicht kaufen. Aber wenn Sie sie kaufen, dann müssen Sie dafür zahlen. Vielleicht dürfen Sie auch später bezahlen, wenn der Ladeninhaber Ihnen Kredit gewährt. Wenn er dies tut, dann weil er Ihnen vertraut. Er glaubt aufgrund langer Erfahrung im Umgang mit Kunden, dass er schließlich von Ihnen sein Geld erhalten wird. Er kann sich täuschen, aber das wird ihm nicht oft passieren.

Vielleicht täuschen Sie sich auch. Die Dose könnte Murmeln, Suppe oder Kartoffelbrei enthalten. Aber Sie werden sich auch nicht oft täuschen lassen. Wenn Sie eine Dose der Firma X kaufen und sie enthält nicht das, was sie enthalten sollte, dann werden Sie ziemlich abgeneigt sein, diese Firma noch einmal zu unterstützen.

Aber schauen wir mal, was als Ergebnis Ihrer Stimmabgabe auf dem Markt passiert. Ihre Stimme wird vom Ladeninhaber am Ende des Tages aufgeführt werden. Er wird bei seiner Abrechnung feststellen, dass jemand (wie Sie selbst) ein Dose Bohnen der Marke X gewählt hat. Er weiß das, weil er die Marke X nachbestellen muss. Er wird auch feststellen, dass andere für die Marke Y gestimmt haben. Wieder andere werden für die Marken Z, ZXY, XX, YYYY gestimmt haben. Er wird auch diese Marken genau in der Menge nachbestellen, die er für notwendig hält, um seine Kunden auch in Zukunft zufrieden zu stellen.

Was passiert mit den verschiedenen Firmen, die diese Bohnen herstellen? Das Votum geht ein, jedesmal in unterschiedlicher Höhe. Jede Firma wird durch jede Stimmabgabe für sie bestätigt. Diese Bestätigung führt dazu, die Produktion, die Sie und andere zufrieden gestellt hat, fortzusetzen.

Nehmen wir an, dass die Marke X, für die Sie sich entschieden hatten, am erfolgreichsten war. Lassen Sie uns annehmen, dass diese Marke 100 Stimmen erhalten hat und jede andere Marke weniger als 100. Wenn wir auf dem Markt eine Demokratie (mit großem D) hätten, würde dies bedeuten, dass eine Anordnung erlassen würde, dass nur noch die Marke X produziert werden würde, denn die Wähler haben deutlich gezeigt, dass Marke X die beliebteste ist. Deshalb würde die Produktion der anderen Bohnen eingestellt.

Aber wir haben auf dem Markt keine Demokratie mit großem D. Wir haben eine Demokratie mit kleinem d. Auch wenn die Marke X sich als die beliebteste erwiesen hat, wären die anderen beliebt genug, um die Firmen zu einem gewissen Grad zu ermutigen, weiter zu machen. Deshalb würden alle Firmen mit ausreichend Zuspruch ihre Produktion fortsetzen. Ihr Kauf der Marke X zwingt niemanden dazu, die Marke X selbst zu erwerben. Angenommen jemand zieht den Kauf der Marke YYYY vor: Niemand kann dann verhindern, dass Sie die Marke X kaufen, aber Sie können auch nicht verhindern, dass jemand die Marke YYYY kauft.

Dies ist wahre Demokratie. Es ist ein Vorgang, in dem jeder sich selbst bestimmt. Dieser Vorgang ist immer moralisch und sorgt für das beste Essen, die größte Vielfalt und den niedrigsten Preis für die meisten Menschen.

 


 

DIE MEHRHEIT KONTROLLIERT EIN MONOPOL

Wir haben gerade versucht zu zeigen, wie Demokratie (mit einem kleinen d) auf dem Markt funktioniert. Aber häufig taucht das Argument auf, dass dies nicht auf die Politik übertragen werden kann. Zwei Männer stellen sich für ein Regierungsamt zur Wahl. Beide können nicht zugleich gewählt werden. Dies bedeutet, dass durch die Stimmen der Mehrheit der am besten geeignete Kandidaten ausgewählt wird. Er wird das Amt übernehmen, der andere nicht.
Was ist daran falsch?

Es ist das Gleiche falsch daran, was falsch daran wäre, wenn Sie in einen Laden gehen, um die Bohnenmarke X zu kaufen, und Sie darüber informiert würden, dass Sie nur die Marke YYYY kaufen könnten, weil die meisten Leute die Marke YYYY mögen. Desweiteren würde ihnen mitgeteilt, dass Sie das Problem nicht einfach dadurch lösen können, dass Sie vom Kauf von Bohnen absehen. Sie müssen sie kaufen. Und Sie müssen die Marke YYYY kaufen. Außerdem müssen Sie die Bohnen auch essen. Genau an diesem Punkt würde Demokratie groß geschrieben. Und genau das ist es, was wir mit der Regierung in diesem Land gemacht haben.

Nehmen wir an, dass zwei Männer sich um die Präsidentschaft bewerben. Lassen Sie uns weiter annehmen, dass einer von ihnen, die Marke YYYY, Mr. Biden ist. Nehmen wir weiter an, dass die Marke X Mr. Trump ist. Mr. Biden erhält mehr Stimmen als Mr. Trump. Die Wähler von Mr. Trump kriegen nicht das, was sie wollten. Sie wollten, dass Mr. Trump ihre Angelegenheiten regelt. Sie kriegen aber Mr. Biden. Sie sind frustriert. Und natürlich sind die, die für Mr. Biden stimmten, erfreut. Sie haben nicht nur den Mann gekriegt, der ihre Angelegenheiten regelt, sondern den Mann, der ermächtigt ist, die Angelegenheiten von jedem zu regeln.

Aber es wird immer auch eine dritte Kategorie von Menschen geben, die weder Marke X noch Marke YYYY wollen. Dies mögen jene sein, die lieber Marke Z wollen. Es mag auch solche geben, die überhaupt keine Marke wollen. Sie wollen ihre Angelegenheiten vielleicht selbst regeln, ohne Trump, Biden oder ZZZZ.

Aber durch den Mehrheitsbeschluss müssen alle, unabhängig von ihren persönlichen Wünschen oder Überzeugungen für die Marke YYYY bezahlen. Und sie sind dazu gezwungen, die Marke YYYY zu benutzen, ob sie es wollen oder nicht. Plötzlich sehen wir, was durch unsere Unterstützung der Demokratie passiert ist: Wir haben uns von dem Konzept der Herrschaft durch das Volk entfernt. Stattdessen haben wir jetzt die Herrschaft eines Monopols. Alle Minderheiten, unabhängig von ihren Interessen und Wünschen, sind gezwungen, dem Monopol zu folgen.

Wenn wir in diesem Land eine Demokratie mit kleinem d hätten, würde Trump die Angelegenheiten derjenigen regeln, die ihn gewählt haben, und diejenigen, die Biden gewählt haben, hätten Biden. Und diejenigen, die jemand anderen gewählt hätten, um ihr Leben zu regeln, hätten diesen. Und diejenigen, die niemanden wollten, der ihre Angelegenheiten regelt, hätten niemanden, der ihre Angelegenheiten regelt.

Dies wäre moralisch: Jeder hätte genau das zu bezahlen, wofür er selbst gestimmt hat. Derjenige, der es ablehnt teilzuhaben, würde nicht von den „Vorteilen“ profitieren, die er hätte, wenn er zugestimmt hätte. Vielleicht wird er dies später bedauern. Aber das ist seine Sache. Genauso wie es Ihre Sache ist, den Kauf von Bohnen abzulehnen und Hunger zu leiden, falls dies passieren würde.

Wir können schon den Alarmruf hören: „Aber das würde bedeuten, dass wir dann mehrere Präsidenten hätten! Mindestens zwei. Und wie könnten wir dann alle dazu bringen, einer Politik zu folgen?“ Die Antwort ist, dass wir das nicht könnten. Aber was wäre so schlimm daran?

Das Konzept der Repräsentation ist im wesentlichen ein Konzept der Stellvertretung. Jemand handelt für Sie. Aber wie kann Sie jemand vertreten, der vollständig Maßnahmen verpflichtet ist, die Ihren eigenen Interessen widersprechen? Anzunehmen, dass er sie vertreten wird, weil andere ihn gewählt haben, ist vollkommen unglaubhaft. Er kann Sie nur vertreten, wenn Sie ihn auch gewählt haben. Und außerdem, wenn er sich darauf beschränkt, Ihre Interessen zu vertreten.

Es ist die Demokratie mit dem großen D, unter der wir leiden. Leute, die Ihren eigenen Interessen entgegen stehen, erhalten Gewalt über Sie durch Handlungen anderer; Demokratie mit großem D bedeutet, dass die Mehrheit alle kontrolliert. Die Kontrolle von allen durch eine Mehrheit ist ein Monopol. Und dies führt immer zur Kontrolle des Monopols durch eine Minderheit. Dies ist weder moralisch noch notwendig.

(Übersetzt von Christian Rode)

 


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