Paul-Émile de Puydt

Panarchie

zum ersten Mal auf Französisch veröffentlicht in der Revue Trimestrielle

(Brüssel, Juli 1860)

 


 

Notiz von John Zube

Aus dem Anhang eines Buchmanuskriptes (1962) von John Zube, reproduziert in PEACE PLANS 399-401: "Was muss an den Staatsverfassungen geändert werden, damit ein andauernder Friede möglich wird und wie können diese Reformen durchgeführt werden?"
Übersetzt von Adrian Falk, E.M.Z. & J.M.Z.

Einzelheiten über das Panarchie-Konzept und seine Vorbilder sind insbesondere in der ON PANARCHY Serie von PEACE PLANS zu finden, auf bisher 19 Mikrofichen, und in einigen separaten Mikrofichen, die insbesondere die Tradition der exterritorialen Autonomie behandeln. Siehe meine Website für diese Titel.

Nur kleine Abänderungen wurden bei dieser Umschrift vorgenommen. Die Stellen-Nummerierung für die Indizierungen des Buches wurde fortgelassen.

Zeichensetzung, Groß- und Kleinschreibung, Stil und Vokabular sind immer noch nicht optimal. Jeder wird gebeten, daran so viel als möglich und nötig zu verbessern.
Keine Rechtsvorbehalte. Dupliziert und publiziert den Aufsatz so oft als möglich. Ihr könntet dadurch helfen, vielen das Leben und die Freiheit zu retten und einen dauerhaften und gerechten Frieden möglich machen.

PIOT, John Zube, 9.6.2001

 


 

I. Vorwort

 

Ein moderner Schriftsteller sagte einmal: "Wenn ich die Hand voller Wahrheiten hätte, würde ich mich wohl hüten, sie zu öffnen."
Dieser Ausspruch stammt vielleicht von einem Weisen, ganz bestimmt aber von einem Egoisten.
Ein anderer schrieb Folgendes: "Die Wahrheiten, die man am wenigsten hören möchte, sind diejenigen, die auszusprechen am wichtigsten ist."

Da haben wir nun zwei Denker, die nicht bereit sind, sich zu verstehen. Ich würde mich gut mit dem zweiten vertragen, aber in der Praxis bringt seine Ansicht Unbequemlichkeiten mit sich.

Ich befragte die Weisen aller Völker. Sie belehren mich: "Es ist nicht ratsam, die volle Wahrheit zu sagen."
So sei es; aber wo soll man da die Grenze ziehen?

Andererseits lehrt uns das Evangelium, dass man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen soll.

Das hat mich nun völlig verwirrt.
Ich habe eine neue Idee. Zumindest glaube ich, dass sie neu ist, und irgendetwas sagt mir, dass es meine Pflicht ist, sie zu verbreiten. Dennoch überkommt mich eine gewisse Unruhe in dem Augenblick, in dem ich "die Hand öffne". Welcher Erfinder ist nicht irgendwie verfolgt worden?

Was die Idee anlangt, so wird diese ihren Weg gehen, so gut sie es vermag, wenn sie erst einmal dem geformten Wort anvertraut worden ist. Ich halte sie für ausgereift. Meine Sorge gilt daher nur dem Autor. Wird man ihm für seine Idee verzeihen?

Ein Weiser des Altertums, der Athen, ja ganz Griechenland, gerettet hat, sagte in einem Streitgespräch zu einem Rohling, der einen Stock gegen ihn erhob, als er mit seinen Argumenten am Ende war: "Schlag ruhig zu, aber höre!"

Das Altertum ist reich an großen Vorbildern. Indem ich Themistokles nachahme, spreche ich meine Idee aus und sage zu meinen Lesern: "Lest mich bis zu Ende und steinigt mich erst anschließend, wenn ihr dann noch immer meint, ich hätte es verdient."

Ich weiß natürlich, dass ich nicht gesteinigt werde. Der Rohling, von dem ich spreche, starb in Sparta vor 24 Jahrhunderten, und jeder kennt den ungeheuren Fortschritt, den die Menschheit in dieser Zeit gemacht hat.
Heutzutage dürfen alle Ideen ohne Bedenken vorgetragen werden, und wenn man von Zeit zu Zeit noch einen Erfinder prügelt, so geschieht es nicht mehr wie früher, sondern indem man ihn einen Agitator oder Utopisten schimpft.
Diese Überlegungen beruhigen mich, und ich komme entschlossen zur Sache.

 


 

II

"Ein Doppelgaenger, meine Herren, ist aller Welt Freund." - Molière.


Ich liebe die Volkswirtschaftslehre und wünschte, die ganze Welt hätte dafür die gleiche Achtung wie ich. Diese Wissenschaft, gestern erst entstanden und heute schon die bedeutsamste von allen, ist weit davon entfernt ihr letztes Wort gesprochen zu haben. Früher oder später - und ich hoffe recht bald - wird sie die Welt beherrschen. Ich kann das mit gutem Grund versichern, denn das Prinzip, das ich zugrunde gelegt habe, steht in den Schriften der Ökonomisten und ich schlage davon nur eine neue Anwendung vor. Diese Ableitung des Prinzips ist viel weitreichender und nicht weniger logisch als alle anderen. Lassen Sie mich zuerst einige Aphorismen vortragen, deren Zusammenstellung den Leser vorbereiten mag.

"Die Freiheit und das Eigentum sind eng verbunden. Die Freiheit begünstigt den Austausch der Reichtümer und das Eigentumsrecht reizt an, sie zu schaffen."
"Der Wert der Reichtümer hängt von dem Nutzen ab, den man daraus zieht."
"Der Preis von Dienstleistungen entsteht direkt proportional zur Nachfrage und umgekehrt proportional zum Angebot."
"Die Freiheit bewirkt Konkurrenz, die auf ihre Weise den Fortschritt hervorbringt."
(Ch. de Brouckere, Principes généraux d'économie politique)

Also: Freie Konkurrenz, zuerst unter den Individuen, dann zwischen den Nationen. Freiheit zu erfinden, zu reisen, auszutauschen, zu kaufen und zu verkaufen.
Freiheit, den Preis der Produkte seiner Arbeit zu bestimmen.
Keine Einmischung von Seiten des Staates. Er hat seine Maßnahmen auf seine Staatsgüter zu beschränken: "Laissez faire, laissez passer."
Da haben wir mit wenigen Worten die Grundlage der politischen Ökonomie; die Zusammenfassung einer Wissenschaft, ohne die es nur schlechte Verwaltungen und ausbeuterische Regierungen gibt. Man kann noch viel weiter gehen und in den meisten Fällen diese große Wissenschaft in einer einzigen Maxime zusammenfassen: "Laissez faire, laissez passer."

Ich lege diese Maxime zugrunde und sage: Im Bereiche der Wissenschaft gibt es keine Halbwahrheiten. Es gibt keine Wahrheiten, die unter einem Gesichtspunkt betrachtet wahr sind und die unter einem anderen Gesichtspunkt aufhören wahr zu sein.

Das Universum ist bewundernswert einfach eingerichtet. Ebenso bewundernswert ist seine unfehlbare Logik. Das Gesetz ist immer dasselbe. Nur seine Anwendungen sind verschieden.
Die höchst entwickelten Lebewesen und die einfachsten, vom Menschen bis zur tierähnlichen Pflanze und bis hinab zum Gestein, zeigen uns genaue Einzelheiten über ihren Aufbau, ihre Entwicklung und ihre Zusammensetzung, und schlagende Vergleiche verknüpfen die moralische Welt mit der materiellen.
Das Leben ist eine Einheit und die Materie ist eine Einheit. Nur ihre Verkörperungen unterscheiden sich. Die Anzahl der möglichen Verbindungen ist unzählbar, die der Individualitäten ist unendlich, aber dessen ungeachtet sind sie alle in einem großen Plan zusammengefasst. Unser mangelhaftes Verständnis und unsere grundsätzlich falsche Erziehung bewirken allein die Verschiedenheit der Systeme und bringen entgegengesetzte Ideen hervor.

Bei zwei Meinungen, die sich gegenüberstehen, gibt es eine wahre und eine falsche, wenn nicht beide falsch sind; aber beide können nicht wahr sein.
Eine Wahrheit, wissenschaftlich vorgetragen, kann nicht hier wahr sein und falsch irgendwo anders, gut z.B. für die soziale Ökonomie und schlecht für die politische. Das ist, was zu beweisen war.

Ist nicht das große Gesetz der politischen Ökonomie, das Gesetz der freien Konkurrenz: "Laissez faire, laissez passer", anwendbar für die Regelung der industriellen und kommerziellen Interessen, oder, mehr wissenschaftlich ausgedrückt, für die Produktion und den Austausch der Reichtümer?
Die Dunkelheit in der politischen Ökonomie, die durch diesen Grundsatz erleuchtet wurde, der Zustand eines dauernden Wirrwarrs, der heftige Gegensatz der Interessen, die er befriedigt hat, regieren sie nicht hauptsächlich in der politischen Sphäre? Und zeigt der Vergleich nicht, dass in beiden Fällen das gleiche Heilmittel angewandt werden kann: "Laissez faire, laissez passer"?

Seien wir uns indessen darüber einig: Es gibt zwar hier und dort so freie Regierungen, wie die menschliche Schwäche sie gegenwärtig zulässt, doch sollten die Zustände in diesen besseren Republiken so gut sein, wie es überhaupt möglich ist.

Die einen sagen: Die vorhandenen Fehler sind offensichtlich auf zu viel Freiheit zurückzuführen, die anderen meinen, dass dort noch nicht genügend Freiheit herrscht.

Die Wahrheit ist, dass in diesen Republiken nicht die Freiheit vorhanden ist, die bestehen sollte, und zwar die grundlegende Freiheit, die Freiheit, frei zu sein oder nicht frei zu sein, nach eigener Wahl. Jeder erhebe sich zum Richter und verfahre mit dieser Frage nach seinem eigenen Geschmack und seinen individuellen Bedürfnissen. Es gibt über diesen Gegenstand ebenso viele Meinungen wie es Individuen gibt. "Tot homines, tot senses."

Sie ersehen, dass sich hieraus ein Wirrwarr ergibt, welches mit dem schönen Namen "Politik" geschmückt wird. Die Freiheit des einen bedeutet die Verneinung der Rechte der anderen und umgekehrt.

Die weiseste und beste Regierung kann niemals tätig sein mit vollem und freiem Einverständnis aller Regierten. Es gibt Parteien, siegende und unterliegende, Mehrheiten und Minderheiten, die stets miteinander kämpfen; und je unklarer ihr Ziel ist, desto leidenschaftlicher kämpfen sie dafür.

Die einen mögen unterdrücken im Namen des Rechts, die anderen sich erheben im Namen der Freiheit, um ihrerseits Unterdrücker zu werden, sobald sich dazu eine Gelegenheit bietet.

Ich verstehe - sagt der Leser. Sie sind einer von den Utopisten, die mit allen Mitteln ein System zusammenbasteln, in dem sie die Gesellschaft ersticken wollen, mit oder ohne deren Zustimmung. Nichts ist besser als das, was ist, und Sie glauben, Ihr Allheilmittel allein wird die Menschheit erretten. Nach dem Motto: 'Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein.'

Irrtum! Ich habe keine andere politische Meinung, als alle Welt sie hat, und ich unterscheide mich in nichts Wesentlichem von den anderen, das heißt, nur in einem Punkt, und dieser ist, dass ich Verteidiger aller Bestrebungen bin, d.h. aller Regierungsformen, derjenigen wenigstens, die Anhänger haben.

Ich verstehe nichts mehr.

Nun gut, lassen Sie mich fortfahren. Man ist im Allgemeinen geneigt, die Theorie zu weit zu treiben. Muss man daraus schließen, dass alle Vorschlage, die zusammen eine Theorie ergeben, immer als falsch betrachtet werden müssen?
Man sagt, dass es bei der Anwendung der menschlichen Intelligenz Missbräuche und Narrheiten gäbe.
Zu erklären, man schätze die spekulative Vernunft nicht und verachte die Theorie, heißt das nicht zu verzichten auf die Fähigkeit zu denken?
Diese Überlegungen stammen nicht von mir. Ihr Urheber ist einer der großen Denker unseres Zeitalters: Jeremias Bentham.

Royer-Collard hat dasselbe sehr ausdrucksvoll gesagt:
"Geben wir vor, dass die Theorie für nichts gut sei und dass die Praxis der einzige sichere Führer sei, so bedeutet das die Anmaßung zu handeln, ohne zu wissen was man tut und zu reden ohne zu wissen was man sagt."

Wenn es nichts Vollkommenes gibt, in dem was der Mensch erfindet, so bemüht er sich doch wenigstens beständig, diese unmögliche Vollkommenheit zu erreichen: Das ist das Gesetz des Fortschritts.

Es gibt keine unveränderlicheren Gesetze als die der Natur. Sie bilden die Grundlagen, auf denen man jede Gesetzgebung aufbauen muss, denn allein sie haben die Macht das soziale Gebäude zu tragen; aber das Gebäude selbst ist das Werk der Menschen.

Jede Generation gleicht einem neuen Mieter, der, bevor er Besitz ergreift, die Einrichtung ändert, die Fassade erneuert, einen Flügel zufügt oder abreißt, ganz nach seinen individuellen Bedürfnissen.

Von Zeit zu Zeit wächst eine Generation auf, die kühner oder weniger vorsichtig ist als ihre Vorgänger. Sie reißt das ganze Gebäude nieder und ist bereit unter heiterem Himmel zu schlafen, bis sie es wieder aufgebaut hat.
Obwohl man es nach einem neuen Plan wieder errichtet hat, nach tausend Entbehrungen und ungeheuren Anstrengungen, ist man ganz kleinlaut, weil man es nicht wohnlicher findet als das alte. Diejenigen, die den Plan dazu aufgestellt haben, sind, das ist wahr, bequem eingerichtet: Schön geschlossen, warm im Winter, kühl im Sommer; aber die anderen, die nicht wählen konnten, sind in das Zwischenstockwerk, den Keller oder den Dachboden verbannt.
So sind dann wieder genügend Unzufriedene und Störenfriede vorhanden, von denen die einen dem alten Gebäude nachtrauern, während die Wagemutigeren schon wieder von einem neuen Abriss träumen. Nur wenige sind zufrieden gestellt; dagegen sind die Unzufriedenen unzählbar geworden.

Es gibt inzwischen aber auch Zufriedengestellte. Nehmen wir davon Kenntnis.
Das Gebäude ist nicht tadellos, wie es sein sollte, aber es hat Vorteile.
Warum soll man es morgen wieder einreißen, oder später, ganz gleichgültig wann, solange es genügend Mietern Bequemlichkeit bietet um es zu erhalten?

Ich für meinen Teil hasse die Demolierer ebenso wie die Tyrannen.

Nehmen Sie an, Sie wohnen unterm Dachstuhl. Ihre Wohnung ist zu klein oder ungesund: So wechseln Sie sie einfach. Mehr verlange ich nicht. Wählen Sie sich woanders eine Wohnung aus. Ziehen Sie stillschweigend aus und, um Himmels willen, sprengen Sie beim Fortgehen nicht das Haus in die Luft. Das, was Sie nicht mehr zufriedenstellt, kann die Freude Ihres Nachbarn ausmachen. Verstehen Sie diesen Vergleich?"

Vielleicht; aber wo wollen Sie dabei anfangen? Noch mehr Revolutionen? Ich bin der Meinung, dass sie neunmal mehr kosten als sie einbringen. Erhalten wir das alte Gebäude, aber wo bringen wir die unter, die ausziehen wollen?

Wo diese Lust haben; das soll nicht meine Sorge sein. Meine Meinung ist, dass man in dieser Beziehung völlige Freiheit aufrecht erhalten sollte. Das ist die Grundlage meines Systems: 'Laissez faire, laissez passer.'

Ich glaube zu verstehen. Diejenigen, die mit ihrer Regierung unzufrieden sind, sollen sich eine andere suchen gehen. Sie haben da in der Tat Auswahl vom marokkanischen Reich, ganz abgesehen von den anderen, bis zur Republik von St. Marino; von der City von London bis zur amerikanischen Pampa. Ist das Ihre ganze Idee? Sie ist nicht neu, möchte ich Ihnen sagen.

Es handelt sich nicht um Auswanderung. Man nimmt nicht das Vaterland an seinen Schuhsohlen mit. Übrigens ist eine so große Völkerwanderung unzweckmäßig und wird es immer sein. Alle Reichtümer der Menschheit würden nicht ausreichen, um die Umzugskosten zu bestreiten. Ich bin nicht mehr dafür, die Bürger getrennt nach ihren Meinungen anzusiedeln, z.B. die Katholiken in die flämischen Provinzen zu verbannen und bei Mons à Liège die Grenzen des Liberalismus zu ziehen. Ich hoffe, dass wir weiter zusammenleben können, wo wir sind, oder meinetwegen woanders, wenn jemand unbedingt möchte, aber ohne Zwietracht, als gute Nachbarn, so dass jeder seine Meinung frei verkünden kann und sich allein der Macht unterwirft, die er selbst wählt oder anerkennt.

Jetzt verstehe ich nichts mehr.

Sie erstaunen mich gar nicht. Mein Plan, meine Utopie, ist doch nichts Verstaubtes, wie Sie vorher annahmen, und dabei ist nichts in der Welt einfacher und natürlicher; aber es ist bekannt, dass in Regierungsangelegenheiten ebenso wie in der Mechanik die einfachsten Ideen immer zuletzt einfallen.
Kommen wir zur Sache: Nichts ist dauerhaft, was sich nicht auf Freiheit gründet. Anders als durch das freie Spiel aller seiner mitwirkenden Teile kann sich nichts Bestehendes erhalten und mit allen seinen nützlichen Auswirkungen reibungslos arbeiten. Andernfalls bedeutet es Verlust an Energie, baldigen Verschleiß des Räderwerks und ganz bestimmt Brüche und schwere Unfälle.
Ich verlange somit für alle und jede Elemente der menschlichen Gesellschaft die Freiheit, sich zu vereinigen entsprechend ihren Neigungen und nicht anders zu handeln als im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten.
Mit anderen Worten: Das absolute Recht, die politische Ordnung zu wählen, in der sie leben wollen, und von nichts anderem abzuhängen als von dieser. Nehmen wir also an, sie wären Republikaner...

Ich? Der Himmel bewahre mich davor!

Nehmen wir es der Einfachheit halber an. Das monarchistische Gebäude stellt Sie nicht zufrieden. Die Luft ist dort zu stickig für Ihre Lungen und Sie haben dort nicht die Bewegungsfreiheit, die zur Erhaltung Ihrer Gesundheit erforderlich wäre. Entsprechend den jetzt herrschenden Ideen neigen Sie dazu, dieses Gebäude abzureißen, Sie und Ihre Freunde, und das Ihre an dessen Stelle zu setzen. Aber wenn Sie das tun, haben Sie alle Anhänger der Monarchie gegen sich, die an ihrem Bauwerk hängen, und im Allgemeinen diejenigen, die nicht Ihre Überzeugung teilen. Machen Sie es besser: Versammeln Sie sich, fassen Sie ihr Programm ab, erheben Sie Ihre Jahresbeiträge, legen Sie Listen von Ihren Anhängern an, stellen Sie die Anzahl Ihrer Anhänger fest und, wenn diese ausreicht, um die Kosten dafür aufzubringen, gründen Sie Ihre Republik.

Und wo da? In der Pampas?

Nein, wahrhaftig nicht, hier wo Sie sind, ohne Ortsveränderung. Es ist bis jetzt notwendig, das gebe ich zu, dass die Monarchisten ihre Zustimmung geben. Ich beginne entschlossen mit der Frage des Grundsatzes, um meine Darlegung zu vereinfachen.
Außerdem übersehe ich keinesfalls die Schwierigkeit, alles wegzuräumen, was Platz zu machen hat für das, was sein sollte und sein müsste.

Ich enthülle meine Idee und habe nicht die Absicht sie jemandem aufzuzwingen. Ich sehe, dass die gegenwärtige Politik sie zurückstoßen muss.
Weiß man nicht, dass allerorten die Regierten und die Regierungen schlecht genug zusammenwirtschaften?
Im Zivilrecht hat man gegen die schlechten Haushaltungen durch gesetzmäßige Trennung oder Scheidung Abhilfe geschaffen. Diese Einrichtung ist vergleichbar mit derjenigen, die ich für die politische Ordnung vorschlage, wobei die letztere es nicht nötig hat, sich mit so vielen Formen und Schutzvorschriften zu umgeben, weil in der Politik eine erste Heirat weder körperliche Spuren noch eine Nachkommenschaft hinterlässt.
Mein System unterscheidet sich von den ungerechten und tyrannischen Systemen, die bis zum heutigen Tag angewandt werden, darin, dass ich nicht beabsichtige, irgendjemandem Gewalt anzutun.
Wollen Sie also in der Politik etwas Ähnliches wie eine Kirchenspaltung verursachen? Sie sind davon der Herr und Meister, aber zu der Bedingung, sie nur in Ihrer Familie zu veranstalten, ohne irgendwelche Rechte noch den Glauben anderer anzutasten. Um dies zu erreichen, ist es absolut nicht notwendig, das Territorium des Staates in so viele Teile zu teilen, wie es bekannte und gut geheißene Regierungsformen gibt.
Noch einmal, ich lasse jeden und jede Sache am gleichen Platze. Ich verlange einzig und allein, dass man ein wenig zusammenrückt und dass die Andersgläubigen frei ihre Kirche bauen und ihren Allmächtigen auf ihre Art anbeten können."

Und wie sieht das in der Praxis aus, bitte?

Gerade das ist meine Stärke. Sie kennen doch den Mechanismus des Standesamtes. Es handelt sich nur darum, ihn neu anzuwenden. Wir eröffnen in jeder Gemeinde eine neue Behörde, das Büro für politische Mitgliedschaft. Dieses Amt verschickt an jeden volljährigen Staatsbürger einen Fragebogen ebenso wie für die Einkommensteuer oder die Hundesteuer.

Frage: Welche Regierungsform wünschen Sie?'
Sie antworten darauf völlig offen: Monarchie oder Demokratie oder irgendeine andere.

Frage: Wenn es Monarchie ist, wollen Sie sie absolut oder gemäßigt, ggf. wodurch gemäßigt?
Sie antworten: Verfassungsmäßig, nehme ich an.
Was immer es auch schließlich sei, Ihre Antwort wird in dem entsprechenden Register notiert, und, einmal eingetragen, sind Sie damit Untertan eines Königs oder Bürger einer Republik, es sei denn, Sie widerrufen Ihre Erklärung unter Beachtung der gesetzlichen Formen und Fristen.
Von nun an haben Sie nichts mehr mit der Regierung der anderen zu schaffen, nicht mehr als ein preußischer Untertan mit der belgischen Obrigkeit.
Sie gehorchen Ihren Vorgesetzten, Ihren Gesetzen und Verordnungen. Sie werden gerichtet wie Ihresgleichen, besteuert von Ihren Abgeordneten. Sie zahlen dabei nicht mehr und nicht weniger, aber moralisch ist das eine andere Sache.
Zu guter Letzt steht jeder in seiner politischen Gemeinschaft so da, als ob es neben ihr nicht noch eine andere - was sage ich - zehn andere Regierungen gäbe, von denen jede ihre Steuerpflichtigen hat.

Was geschieht, wenn es nun zu einer Streitigkeit zwischen Untertanen der verschiedenen Staaten oder zwischen einer Regierung und einem Untertan einer anderen kommt? Es handelt sich dann nur darum, die im Augenblick von benachbarten und befreundeten Regierungen beachteten Regeln anzuwenden, und, wenn sich in diesen eine Lücke findet, dann werden die Menschenrechte und alle anderen möglichen Rechte diese Lücke mühelos ausfüllen. Der Rest ist Sache gewöhnlicher Gerichtshöfe."

Das ist eine neue Goldgrube für Rechtsstreitigkeiten, deren Erfindung die Advokaten auf Ihre Seite bringen wird.

Damit rechne ich wohl. Diese Rechtsstreitigkeiten könnten und sollten auch alle Einwohner in einem bestimmten Umkreis gleichermaßen interessieren, welche politische Zugehörigkeit sie auch immer haben. Für diese Fälle würde jede Regierung zu der Gesamtnation gehören, wie z.B. jeder schweizer Kanton oder vielmehr die Vereinigten Staaten von Amerika in einer föderalistischen Regierung zusammengefasst sind.

So finden sich für alle neuen Fragen, die anfangs äußerst schwierig erscheinen, vorbereitete Lösungen und eine eingerichtete Rechtsprechung ist für die meisten Streitigkeiten schon vorhanden.

Die Fragen sind in Wirklichkeit keine ernstlichen Probleme. Es wird sich sicher herausstellen, dass Toren, unverbesserliche Träumer und asoziale Elemente sich unter keiner bekannten Regierungsform wohlfühlen werden.

Es wird Minderheiten geben, die so schwach sind, dass sie nicht die Mittel zur Unterhaltung ihres Idealstaates aufbringen können. Zu schlecht für die einen wie für die anderen! Den einen wie den anderen steht es frei, Propaganda zu machen, um genügend Mitglieder oder vielmehr Geldmittel zu erhalten. Denn alles ist letzten Endes eine Finanzfrage.

Bis zu diesem Zeitpunkt müssen sie eine der vorhandenen Regierungsformen wählen. Es versteht sich, dass Minderheiten von so geringer Anzahl keine Schwierigkeiten verursachen werden.

Das ist noch nicht alles: Dieses Minderheitenproblem wird von den opponierenden Meinungen nur selten aufgeworfen. Man schlägt sich häufiger und kräftiger geringer Unterschiede wegen als für die Nationalfahne. Ich bezweifle nicht dass, ungeachtet einiger Schwächen, in Belgien die überwiegende Mehrheit für die gegenwärtigen Institutionen stimmen würde; aber deshalb ist man mit ihrer Funktion noch lange nicht zufrieden.

Haben wir nicht zwei oder drei Millionen Katholiken, die nur auf M. de Theux schwören, und zwei oder drei Millionen Liberale, die nur an sich selbst glauben? Wie kann man sie in Einklang bringen? Indem man sie überhaupt nicht in Einklang bringt; indem man jede Partei sich selbst regieren lässt, nach ihrer Art und auf ihre Kosten.

Priesterherrschaft für den, der sie wünscht; die Freiheit soll bis zu dem Recht gehen, sogar auf die Freiheit selbst zu verzichten.

Weil es nur unterschiedlicher Meinungen bedarf, kann man die Räderwerke der Regierungen bis ins Unendliche vervielfältigen. Im allgemeinen Interesse wird man sich bemühen, die Maschine zu vereinfachen und dasselbe Zahnrad zu gebrauchen, um einen doppelten oder dreifachen Erfolg zu erzielen.

Ich will das näher erläutern: Ein weiser und wirklich verfassungsmäßiger König würde beide Parteien, die Katholiken sowie die Liberalen, zufrieden stellen; er würde nur einer Verdoppelung des Ministeriums bedürfen; M. de Theux für die einen, M. Frère-Orban für die anderen, der König für Alle.

Wer würde selbst die gewissen Herren, die ich nicht nennen möchte, hindern, wenn sie sich zusammenschließen würden, um den Absolutismus einzuführen, damit derselbe Fürst sein großes Wissen und seine reiche Erfahrung anwenden kann, um die Geschäfte dieser Herren zu erledigen, ohne dass diese künftig in der traurigen Verlegenheit wären, ihre Meinungen über die Regierungsgeschäfte äußern zu müssen?

Und, in der Tat, wie ich so darüber nachdenke, sehe ich überhaupt nicht ein, warum dieser gemeinsame Fürst nicht ein recht annehmbarer Präsident für eine ehrenhafte und gemäßigte Republik sein könnte, wenn man eine Regelung im entgegengesetzten Sinne trifft.
Es sollte nicht untersagt sein, mehrere Ämter innezuhaben.

 


 

III.

"Die Freiheit hat ihre Unbequemlichkeiten und ihre Gefahren, aber auf lange Sicht führt sie immer zur Erlösung." - M.A. Deschamps


Schließlich hat mein System noch einen unvergleichlichen Vorteil, abgesehen von all den anderen, und der besteht darin, dass es leicht, natürlich und völlig legitim die Varianten bietet, die heutzutage von den braven Bürgern missachtet werden und die man grausamerweise mit dem Namen "politische Abtrünnigkeit" gebrandmarkt hat.

Das ungeduldige Streben nach Veränderungen, welches man ehrsamen Bürgern als Verbrechen anrechnet und das dazu beigetragen hat, dass man gewisse alte und neue Nationen des Leichtsinns und der Undankbarkeit bezichtigt, was ist das schließlich anderes, als der Wille zum Fortschritt?

Und ist es nicht seltsam, dass man in den meisten Fällen gerade diejenigen der Inkonsequenz und Wankelmütigkeit beschuldigt, die sich selbst treu bleiben? Man verlangt die Treue zur Partei, zur Fahne, zum Fürsten. Sehr gut, wenn Fürst und Partei unveränderlichen sind. Was aber, wenn sie sich wandeln und anderen Platz machen, die ihnen nicht genau entsprechen?
Nun, wenn Sie wollen, nehmen wir an, ich hätte mir als Führer, Chef und Meister einen Fürsten gewählt, der seinem Jahrhundert voraus ist; ich hätte mich seinem mächtigen und schöpferischen Willen gebeugt, und ich hätte meiner persönlichen Initiative entsagt, um diese in den Dienst seines Genies zu stellen. Und dann, wenn dieser Fürst gestorben ist, kommt ein beschränkter Geist, der durch das Erstgeburtsrecht die Nachfolge antritt, mit falschen Ideen vollgesogen ist und der Stück für Stück das Werk seines Vaters niederreißt. Sie verlangen also, dass ich diesem die Treue bewahre? Warum? Weil er der direkte und legitime Erbe des ersten ist? Direkt, das muss ich zugeben, aber legitim, wenigstens in dem, was mich betrifft, das leugne ich ausdrücklich.

Gegen mehr würde ich nicht revoltieren. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Revolutionen verabscheue, aber ich würde mich für verletzt halten und für berechtigt, beim Ablauf des Vertrages zu wechseln.

"Sir", sagte Madame de Staël zum Zaren, "Ihr Charakter ist für Ihre Untertanen eine Verfassung und Ihr Gewissen eine Garantie."
"Wenn das so wäre," antwortete Alexander, "wäre ich nicht mehr als ein glücklicher Zufall."

Dieses Wort, so glänzend und wahr, fasst völlig meinen Gedanken zusammen.

Unser Allheilmittel, wenn wir dieses Wort gebrauchen wollen, ist doch die freie Konkurrenz auf dem Gebiet der Regierungen. Es ist das Recht eines jeden, sein Wohl zu suchen, wo immer er es zu sehen glaubt, und sich Sicherheit zu verschaffen unter Bedingungen, die ihn befriedigen.

Das bedeutet andererseits den garantierten Fortschritt durch einen Wettkampf zwischen den Regierungen, die dadurch gezwungen werden, sich unaufhörlich um Mitglieder zu bewerben.

Das ist die wahre Freiheit, wenn sie erst einmal auf der ganzen Welt eingeführt worden ist: Die Freiheit, die sich niemandem aufdrängt. Sie ist für jeden gerade das, was sich jeder von ihr erwartet, sie unterdrückt weder, noch betrügt sie, und die Beschwerde steht jederzeit gegen sie offen.

Um diese Freiheit zu erreichen, braucht man weder den Traditionen des Vaterlandes noch den Familienbanden zu entsagen. Man braucht auch wirklich nicht anzufangen, in einer neuen Sprache zu denken. Ebenfalls ist es völlig überflüssig, Flüsse und Meere zu überqueren, wobei man die Gebeine seiner Ahnen mit sich nehmen müsste.

Es handelt sich nur um eine einfache Erklärung vor dem politischen Ausschuss seiner Gemeinde und, ohne dass man seinen Morgenrock oder seine Filzpantoffeln ausziehen muss, hat man freiwillig den Schritt von einer Republik zur Monarchie getan, vom Parlamentarismus zur Autokratie, von der Oligarchie zur Demokratie oder selbst zur Anarchie des Herren Proudhon.

Sind Sie des Lärms im Forum müde, d.h. der Wortklaubereien auf der parlamentarischen Tribüne oder der etwas brutalen Küsse der Freiheitsgöttin? Sind Sie übersättigt vom Liberalismus und Klerikalismus bis zu dem Punkt, dass Sie bisweilen M. Dumortier mit M. de Fré verwechseln und nicht mehr wissen, worin sich im Einzelnen M. Rogier und M. de Decker unterscheiden? Streben Sie nach Ruhe, der sanften Mattigkeit einer ehrenhaften Despotie? Fühlen Sie die Notwendigkeit einer Regierung, die für Sie denkt, die an Ihrer Stelle handelt, die das Auge für Alles und eine Hand überall hat und die zu Ihrem Vorteil die Rolle der stellvertretenden Vorsehung spielt, die den Regierungen im Allgemeinen so sehr gefällt? Sie brauchen nicht nach dem Süden auszuwandern wie die Schwalben zur Sonnenwende und die Gänse im November. Das, was Sie wünschen, finden sie dort. Für Sie liegt das Glück unbedingt in der Ferne. Tragen Sie sich als Mitglied ein und nehmen Sie den Ihnen zugewiesenen Platz ein!

Das Bewundernswürdige an dieser Entdeckung besteht darin, dass sie für immer Revolutionen, Meutereien und Straßenkämpfe bis zu kleineren Erregungen der politischen Gefühle verhindert.
Sie sind nicht zufrieden mit Ihrer Regierung? Nehmen Sie eine andere!
Diese vier kleinen Worte, schreckensvoll und in Blut gebadet, die alle Schwurgerichte, die hohen wie die niedrigen, die Kriegsgerichte, die städtischen Gerichte und die Sondergerichte, alle ohne Ausnahme, mit großer Mehrheit als schuldig der Aufhetzung zur Revolution verdammen würden, diese vier kleinen Worte werden unschuldig und rein, als wären sie von Kindern geäußert worden, und so gütig wie das Heilmittel, dem M. de Pourceaugnac zu Unrecht misstraute.

"Nehmen Sie eine andere!", heißt: Gehen Sie zum Büro für politische Zugehörigkeit. Nehmen Sie Ihren Hut vor dem Abteilungsleiter ab. Bitten Sie ihn, Sie zu guten Bedingungen von der Liste zu streichen, auf der Sie aufgeführt sind, und Ihren Namen auf die von xyz zu übertragen. Es ist unwichtig, welche. Der Abteilungsleiter wird seine Brille aufsetzen, das Register aufschlagen, Ihre Erklärung eintragen und Ihnen davon eine Bestätigung geben. Sie grüßen ihn von neuem, und die Revolution ist vollendet, ohne etwas anderes zu vergießen als einen Tropfen Tinte, vollendet durch Sie allein, davon bin ich überzeugt. Ihr Übertritt verpflichtet Niemanden, und das ist sein Vorteil.

Es wird weder eine triumphierende Mehrheit noch eine besiegte Minderheit geben. Aber die restlichen 4,600,000 Belgier wird Nichts hindern, Ihrem Beispiel zu folgen, wenn es ihnen gefällt.

Das Büro für politische Zugehörigkeit wird mehr Mitarbeiter benötigen.

Welches ist, im Grunde genommen, die Funktion einer jeden Regierung, wenn man all anerzogenen Vorurteile beiseite schiebt? Sie besteht, wie ich schon gesagt habe, darin, den Bürgern die so genannte Sicherheit zu bestmöglichen Bedingungen zu verschaffen. (Ich gebrauche das Wort "Sicherheit" in seiner weitesten Anwendung.) Ich weiß sehr wohl, dass über diesen Punkt die Ideen noch etwas verwirrt sind.

Es gibt Leute, denen eine Armee nicht ausreicht, um sie gegen äußere Feinde zu schützen, und denen eine Polizei, eine Gendarmerie, der königliche Staatsanwalt und die Herren Richter nicht genügen, um die Ordnung im Innern zu sichern und für Recht und Ordnung Respekt zu verschaffen.
Es gibt einige, die eine Regierung wünschen, die eine Fülle von gut bezahlten Ämtern bietet, ferner wohlklingende Titel sowie glänzende Orden; eine Regierung mit Zollämtern an den Grenzen, um die Industrie gegen die Konsumenten zu schützen, und Legionen von Beamten, die die schönen Künste, die Theater und die Schauspielerinnen unterstützen. Aber ich weiß auch, dass dies das alte Lied der Regierungen ist, die gern die Vorsehung spielen und von denen wir kurz zuvor gesprochen haben.

Bis zu dem Zeitpunkt, da die Experimentierfreiheit diesen Regierungen Gerechtigkeit hat widerfahren lassen, sehe ich nichts Übles darin, dass sie irgendwie weiterbestehen, zur Zufriedenheit derer, die sie so lieben.

Ich verlange nur eines, und das ist die Freiheit der Wahl. Denn das bedeutet alles: Freiheit der Wahl, Konkurrenz, 'Laissez faire, laissez passer!'
Dieser erhabene Grundsatz, der auf der Fahne der Wirtschaftswissenschaft geschrieben steht, wird eines Tages auch der der politischen Welt sein. Der Begriff 'politische Ökonomie' lässt es schon vorhersehen, und es ist sehr seltsam, dass man versucht hat, diesen Namen zu ändern, z.B. in soziale Ökonomie. Der gute Instinkt des Volkes aber hat dieses Zugeständnis abgewiesen. Die wissenschaftliche Wirtschaftslehre ist und wird immer an erster Stelle eine politische Wissenschaft bleiben. Ist sie es nicht, die den modernen Grundsatz der Nichteinmischung und seine Formel: 'Laissez faire, laissez passer!' geprägt hat? Also: Freie Konkurrenz auf dem Gebiete der Regierung, ebenso wie in allen anderen.

Stellen Sie sich hiernach, nachdem der erste Augenblick der Überraschung verflogen ist, das Bild eines Landes vor, das derartig der Konkurrenz unter seinen Regierungen ausgesetzt ist, d.h. das gleichzeitig und regelmäßig verflochten so viele Regierungen besitzt wie man erfunden hat und neu erfinden wird."

Ja, wahrhaftig! Das wird ein schönes Wirrwarr werden. Und Sie wollen wissen, wie man sich aus diesem Gewirr herausfinden wird?

Sicher, und Nichts ist einfacher einzusehen, wenn man dieses Gewirr etwas näher untersucht. Denken Sie an die Zeiten, in denen man sich für die Religion heiser schrie, mehr als man sich je für politische Meinungen heiser geschrien hat? Als der heilige Schöpfer aller Wesen der Herr der Heerscharen war, ein rächender und mitleidloser Gott, in dessen Namen das Blut in Flüssen vergossen wurde? Die Menschen haben sich seit jeher darum bemüht, Gottes Sache in ihre Hände zu nehmen und ihn zu einem Komplizen ihrer blutgierigen Leidenschaften zu machen. 'Tötet alle! Gott wird die Seinigen schon erkennen!'

Was ist aus dem unversöhnlichen Hass geworden? Der Fortschritt des menschlichen Geistes hat ihn hinweggefegt wie der Herbstwind die welken Blätter. Die Religionen, in deren Namen ehemals Scheiterhaufen errichtet und Folterinstrumente hergestellt wurden, bestehen heute friedlich nebeneinander unter denselben Gesetzen und zehren an demselben Budget, und, wenn jede Sekte immer nur ihre eigene Vortrefflichkeit predigt, so erreicht sie damit mehr, als wenn sie noch dazu die rivalisierende Sekte verdammen würde.

Nun gut; was auf diesem finsteren und unergründlichen Gebiet des Gewissens möglich geworden ist, bei dem Bekehrungseifer der einen, der Intoleranz der anderen, dem Fanatismus und der Unwissenheit der Massen; was man in diesem Punkt in der Hälfte der Welt antreffen und vorfinden kann, ohne dass daraus noch Unruhen oder Gewalttaten entstehen; dass, im Gegenteil, beachtenswerter Weise, besonders dort, wo es viele verschiedene Glaubensrichtungen gibt, die zahlreichen Sekten auf der Grundlage völliger gesetzlicher Gleichheit allesamt mehr um ihre Würde und die Reinheit ihrer Moral bedacht und besorgt sind als um andere, wäre das, was unter derart schwierigen Bedingungen möglich geworden ist, nicht noch eher möglich in dem rein weltlichen Bereich der Politik, wo Alles klar sein sollte, wo sich das Endziel in einem Satz ausdrücken und sich die Wissenschaft in vier Worten darlegen lässt?

Es ist bei den heute herrschenden Zuständen einfach unvermeidlich, dass eine Regierung nur dadurch besteht, dass sie die anderen ausschließt, dass eine Partei nur herrschen kann, nachdem sie die gegnerischen Parteien zersplittert hat, dass eine herrschende Mehrheit stets eine Minderheit neben sich weiß, die ungeduldig darauf wartet zu regieren, dass die Parteien sich hassen und, wenn nicht im Krieg miteinander, so doch wenigstens in einem Zustand des Wettrüstens leben. Und wer wäre verwundert, zu sehen, wie die Minderheiten ohne Unterlass Ränke schmieden und wühlen, sowie die Regierungen jedes Streben nach einer anderen politischen Form, sei sie auch noch so exklusiv, gewaltsam unterdrücken, dahingehend, dass sich die Gesellschaft schließlich aus ehrgeizigen Erbitterten zusammensetzt, die auf die Stunde der Vergeltung warten, und aus ehrgeizigen Zufriedengestellten, die es sich satt und behaglich am Rande des Abgrundes bequem machen.

Irrige Prinzipien führen nicht zu richtigen Schlussfolgerungen und Gewalt erzeugt weder Wahrheit noch Recht.

Aber aller Zwang soll künftig aufhören, jeder volljährige Bürger sei und bleibe frei, nicht nur einmal am Tage nach irgendeiner blutigen Revolution, sondern immer und überall, unter den dargebotenen Regierungen diejenige auszuwählen, die zu seiner Geisteseinstellung, seinem Charakter oder zu seinen persönlichen Bedürfnissen passt. Er soll frei sein zu wählen, wohlverstanden, aber nicht frei, seine Wahl anderen aufzudrängen. Dann wird jede Unordnung aufhören und jeder fruchtlose Kampf unmöglich sein.

Das ist nur eine Seite der Frage. Hier ist noch eine andere: Von dem Augenblick an, da die Regierungsverfahren der Herrschaft der Experimentierfreiheit unterworfen sind, d.h. der freien Konkurrenz, müssen sie Fortschritte machen und sich vervollkommnen, das ist ein Naturgesetz.
Nichts kann dann einfach mehr in Nebel gehüllt werden oder in Tiefen verschwinden, die nur die Leere verbergen.
Keine Verschmitztheiten mehr, die unter dem Namen "diplomatische Schachzüge" laufen. Keine Feigheit oder Frechheit mehr, die als Staatsräson getarnt ist. Keine Hofkabalen oder Beförderungssucht im Felde mehr, die unter den falschen Namen "Ehre" und "nationales Interesse" laufen!

Kurz, aller Betrug in Bezug auf die Art und Güte der Staatsmaschinerie hört auf. Künftig ist überall Licht.
Die Regierten stellen Vergleiche an und erstatten einander darüber Bericht. Die Regierenden sehen endlich die Wahrheit ein, dass in Wirtschaft und Politik auf dieser Welt der Erfolg eine Bedingung hat: Es besser zu machen und billiger als die anderen.

Von diesem Augenblick an wächst die weltumspannende Eintracht. Die Kräfte, die bis dahin durch unfruchtbare Arbeit, Reibereien und Widerstandsaktionen verloren gingen, vereinigen sich jetzt, um in unvorhergesehener Weise den Fortschritt und die Menschheit auf dem Wege zum Glück voranzutreiben, gewaltig, schwindelerregend."

Amen. Erlauben Sie währenddessen einen kleinen Einwand: Wenn alle erdenklichen Möglichkeiten in Bezug auf Regierungen von allen Seiten geprüft worden sind, in aller Öffentlichkeit und bei freiem Wettbewerb, was wird sich dabei ergeben? Es wird offensichtlich eine Regierungsform geben, die als die vollkommenste erkannt wird und die jeder schließlich für sich erwählt, was uns dahin zurückführen würde, dass es für alle wieder nur eine Regierung gäbe, d.h. zurück zum Ausgangspunkt.

Nicht so schnell, bitte, lieber Leser. Was! Sie geben doch selbst zu, dass alle dann in Eintracht leben würden, und das nennen Sie zum Ausgangspunkt zurückkommen? Ihr Einwand lässt mich die Debatte um den hauptsächlichen Vorschlag gewinnen, dass nämlich die weltumspannende Eintracht durch die einfache Auswirkung des 'laissez faire, laissez passer!' zustande käme. Ich könnte mich nun darauf beschränken, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und Sie für überzeugt zu halten, zu meinem System bekehrt. Aber mir liegt Nichts an Halbüberzeugungen, und ich bin nicht bekehrungssüchtig.

Nein, man wird nicht darauf zurückkommen, nur eine einzige Regierungsform zu haben, höchstens vielleicht in ganz ferner Zukunft, wenn die Regierungsfunktionen mit allgemeiner Zustimmung auf die allereinfachste Form vermindert worden sind. Dort sind wir noch nicht, und wir sind noch weit entfernt, um dahin zu gelangen. Es versteht sich, dass die Menschen weder alle einer Gesinnung sind, noch alle das gleiche moralische Empfinden haben und auch nicht so leicht zu versöhnen sind, wie Sie annehmen. Die Herrschaft des freien Wettbewerbs ist deshalb die einzig mögliche.

Der eine braucht Aufregung und Kampf. Ruhe wäre für ihn tödlich.
Der andere, als Träumer und Philosoph, sieht nur halb bewusst das Wogen der Gesellschaft, und seine Gedanken formen sich allein in aller tiefster Ruhe. Dieser, arm, gelehrt, ein unbekannter Künstler, braucht Ermutigung und Unterstützung, um sein unsterbliches Werk zu schaffen; ihm fehlt ein Laboratorium für seine Versuche, eine Werkstätte, ein Marmorblock, aus dem er Gott schlagen kann. Jener, ein kraftvolles, naturwüchsiges Genie, erträgt keine Fessel und bricht den Arm, der ihn führen will. Für den einen ist die Republik das Richtige, ihre Hingebung und Selbstverleugnung; für den anderen die absolute Monarchie mit ihrem Prunk und ihrer Herrlichkeit. Der eine, als Redner, wünscht ein Parlament, der andere, unfähig zehn zusammenhängende Worte zu sprechen, verlangt, dass man die 'Schwätzer' verbanne. Es gibt wache Geister und Holzköpfe, Menschen mit unersättlichem Ehrgeiz und einfache Leute, die mit dem kleinen Anteil zufrieden sind, der ihnen zugefallen ist. Es gibt schließlich ebenso viele verschiedene Charaktere wie Individuen und so viele verschiedene Bedürfnisse wie unterschiedliche Naturen. Wie soll man alle diese auf einmal mit einer einzigen Regierungsform zufriedenstellen? Offensichtlich wird man an ihr in recht unterschiedlichem Grade Gefallen finden. Es wird Zufriedengestellte, Gleichgültige, Mäkler und Unzufriedene geben und sogar Verschwörer.

Auf alle Fälle können Sie auf Grund der menschlichen Natur damit rechnen, dass die Anzahl der Zufriedengestellten geringer sein wird als die der Unzufriedenen. Wie vollkommen auch immer wir uns diese einheitliche Regierung vorstellen, und sei sie die Vollkommenheit selbst, es wird stets eine Opposition geben: Nämlich die der unvollkommenen Naturen, denen die ganze Vollkommenheit unverständlich und unsympathisch ist.

In meinem System dagegen sind die heftigsten Unzufriedenheiten nichts weiter als Ehestreitigkeiten, für die die Ehescheidung das letzte Heilmittel ist.

Aber welche Regierung würde sich unter dieser Herrschaft des Wettbewerbs von den anderen im Streben nach dem Fortschritt überholen lassen wollen?
Welche Vervollkommnungen, die der Nachbar erfolgreich anwendet, würde man sich weigern, auch bei sich einzuführen? Dieser ununterbrochen aufrechterhaltene Wetteifer wird Wunder gebären.

Aber auch die Regierten werden alle Musterbeispiele sein. Da es ihnen freistehen wird, zu kommen und zu gehen, zu sprechen oder zu schweigen, selbst zu handeln oder andere handeln zu lassen, können sie allein sich selbst anklagen, wenn sie nicht völlig zufriedengestellt sind. Man wird nunmehr, anstatt sich in die Opposition zu begeben, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, seiner Eigenliebe dadurch schmeicheln, dass man sich selbst und andere überredet, die Obrigkeit, von der man abhängt, sei die beste und vollkommenste, die man sich erträumen kann.

Auf diese Weise wird sich zwischen Regierenden und Regierten ein freundliches Einvernehmen ergeben, ein gegenseitiges Vertrauen und eine Einfachheit der Beziehungen, wie sich leicht begreifen lässt."

Was, Sie erträumen ernstlich und in hellwachem Zustand diese völlige Eintracht zwischen Parteien und politischen Gruppen? Sie rechnen damit, dass sie Seite an Seite auf demselben Gebiet existieren werden, ohne dass sie sich gegenseitig stoßen, ohne dass die Stärksten versuchen werden, die Schwächsten sich anzugliedern oder sie zu unterdrücken? Sie stellen sich vor, dass ein so großes Babylon die Weltsprache hervorbringen wird?

Ich glaube an die Weltsprache, ebenso, wie ich an die Freiheit als die höchste Macht glaube, um den Frieden in der Welt herzustellen. Ich bin weder in der Lage, die Stunde noch den Tag dieser Eintracht vorauszusehen.
Meine Idee ist ein Samenkorn, das ich in den Wind werfe. Wird es nun auf fruchtbaren Boden oder auf die Pflastersteine der Straße fallen? Das ist nicht mehr meine Sache. Ich schlage nichts vor.

Alles ist übrigens eine Frage der Zeit. Wer hat vor einem Jahrhundert an die Gewissensfreiheit geglaubt? Und wer wagte es heutzutage, sie in Frage zu stellen?
Ist es sehr lange her, dass man noch über die seltsame Idee lächelte, dass die Presse eine Gewalt sei, eine Macht im Staate? Und jetzt machen die ehrsamen Staatsmänner Bücklinge vor ihr.
Und haben Sie diese neue Macht, die öffentliche Meinung, vorhergesehen, deren Geburt jeder von uns miterlebt hat, und die, obgleich noch in den Windeln steckend, ihren Urteilsspruch den Staaten auferlegt? Sie fällt selbst bei Entschlüssen von Despoten schwer ins Gewicht. Hätten Sie nicht demjenigen ins Gesicht gelacht, der es gewagt hätte, ihre Herrschaft zu prophezeien?"

Von dem Augenblick an, da Sie nichts vorschlagen, können wir uns unterhalten. Sagen Sie mir z.B., wie bei diesem Wirrwarr von Obrigkeiten ein jeder die seinige erkennt? Und, wenn man sich zu jeder beliebigen Stunde für die eine Regierung eintragen lassen und von der anderen lossagen kann, an wen oder was kann man sich wenden, um die Staatshaushalte zu begleichen und das Bürgerverzeichnis zu führen?

Zunächst einmal nehme ich nicht an, dass man die Freiheit haben sollte, zu jeder beliebigen Stunde seine Regierung zu wechseln und sie bankrott gehen zu lassen. Man kann für diese Art von Verpflichtung eine Mindestdauer vorschreiben; ein Jahr nehme ich an. Von Beispielen in Frankreich und anderswo ausgehend, erlaube ich mir zu denken, dass es sehr wohl möglich ist, für die Dauer eines ganzen Jahres die Regierung zu unterstützen, die man sich selbst gegeben hat.
Die regelmäßig bewilligten und verteilten Staatshaushalte würden jeden nur insoweit belasten, wie es sich als Resultat eines freien Wettbewerbs als notwendig ergibt. In Streitfällen würden reguläre Gerichte die Entscheidung fällen.
Was das Wiederfinden seiner Untertanen, Verwalteten oder Steuerpflichtigen anbetrifft, ist das etwa schwieriger als für jede Kirche, ihre Gläubigen, oder als für jede Gesellschaft, ihre Aktionäre zu zählen?"

Aber Sie werden zehn, ja vielleicht zwanzig Regierungen an Stelle von einer haben, also ebenso viele Staatshaushalte und Zugehörigkeitsverzeichnisse, d.h. die allgemeinen Unkosten würden um so viele Male vermehrt sein, wie es verschiedene Staatsbeamte derselben Art geben wird.

Ich leugne durchaus nicht die Gewichtigkeit dieses Einwandes. Beachten Sie jedoch, dass durch das Gesetz des Wettbewerbs bedingt stets jede Regierung sich notwendigerweise bemühen wird, so einfach und sparsam wie möglich zu wirtschaften. Die Staatsbeamten, die uns, weiß Gott, ein wahres Vermögen kosten, würden auf die unbedingt erforderliche Anzahl verringert werden, und die überflüssigen Staatsbeamten würden anfangen müssen, produktive Arbeit zu leisten.

Die Frage wäre jedoch dadurch nur halb beantwortet, und ich liebe keine nur fast richtigen Lösungen. Zu viele Regierungen würden einen Übelstand bilden, Ursache zu übermäßigen Ausgaben, wenn nicht Verwirrungen. Nun gut, von da an, wo man diesen Übelstand bemerkt, wird das Heilmittel nicht auf sich warten lassen. Das gute Feingefühl der Öffentlichkeit wird den Unmäßigkeiten Gerechtigkeit widerfahren lassen, und die Öffentlichkeit wird bald nur noch die Regierungen unterstützen, welche wirklich lebensfähig sind. Die anderen gehen an Erschöpfung zugrunde.

Sie sehen, die Freiheit hat auf alles eine Antwort.

Vielleicht, und glauben Sie, dass die herrschenden Dynastien, die tonangebenden Mehrheiten, die bestehenden Körperschaften und die in Ansehen stehenden Lehren jemals zurücktreten werden, um sich gutwillig unter das Banner des 'Laissez faire, laissez passer' zu stellen? Sie haben sehr schön gesagt, dass Sie nichts vorschlagen, man weicht aber so nicht der Debatte aus.

Sagen Sie mir zuerst, ob Sie ernsthaft glauben, dass diese ihrer Stellung so sicher sind, dass sie es sich immer werden leisten können, ein großes Zugeständnis abzuschlagen?
Nun aber, ich selbst werde Niemanden absetzen. Alle Regierungen bestehen vermöge einer Kraft, die sie irgendwo aus ihrem Inneren schöpfen und von der sie, um fortzubestehen, mehr oder weniger geschickt Gebrauch machen.
Nunmehr haben sie ihren sicheren Platz in meiner Organisation. Dass sie anfangs eine gehörige Anzahl ihrer mehr oder minder freiwilligen Anhänger verlieren müssen, scheue ich mich nicht zuzugeben. Aber, ohne die Chancen der Zukunft in Betracht zu ziehen, welch beneidenswerter Ausgleich ergibt sich von Seiten der Sicherung der Macht und ihrer Stabilität!
Weniger Untertanen, nein, weniger Steuerzahler ist das richtige Wort, aber zum Ausgleich ergibt sich eine absolute Unterordnung, die sogar für die Dauer des Vertrages freiwillig geschieht. Kein Zwang mehr, weniger Gendarmen, kaum noch Polizei und Soldaten: gerade genügend für die Parade, aber dafür besonders gut aussehende.
Die Ausgaben nehmen recht schnell ab, damit die Einnahmen nicht zurückgehen. Keine Anleihen mehr, keine Finanzierungsschwierigkeiten mehr.
Was man bisher nur in der Zeitschrift 'Die Neue Welt' gelesen hat, wird Wirklichkeit: Wirtschaftssysteme, die Menschen glücklich machen können. Man wird gesegnet sein, beweihräuchert, und ich spreche nicht etwa von diesen betäubenden Düften, die man den taumelnden Mächtigen in die Nase bläst, sondern von echt arabischem Parfum, das für die Nasen der Elite hergestellt ist.
Welche Dynastie würde sich nicht auf diese Weise verewigen wollen?
Welche Mehrheit würde nicht ihre Zustimmung geben, die Minderheiten in Scharen ausziehen zu lassen?
Sehen Sie schließlich, wie ein System, das zur Grundlage das große ökonomische Prinzip des 'laissez faire' hat, allen Schwierigkeiten gewachsen ist?
Die Wahrheit ist nicht nur zur Hälfte wahr; sie ist die Wahrheit, nicht mehr und nicht weniger.
Heutzutage haben wir herrschende Dynastien, wie auch verfallene. Fürsten, die die Krone tragen, und andere, die absolut nicht böse wären, wenn sie sie tragen könnten. Jeder hat seine Partei, und jede Partei hat zur Hauptaufgabe, Knüppel in die Räder der Staatskarosserie zu werfen, bis zu dem Tage, an dem sie den Wagen umgestürzt haben und ihrerseits einsteigen und riskieren können, sich zu überschlagen.
Das bezaubernde Spiel auf der Wippe, für das das Volk die Unkosten aufbringt, aber bei dem es nicht mitspielen darf, wie Paul-Louis Courier sagte.

Bei unserem System gibt es weder diese kostspieligen Gleichgewichtsspielereien, noch von Lärm begleitete Umstürze, weder Verschwörungen noch Räubereien.

Alle Welt ist legitim. Jedermann stellt etwas dar. Man ist unstreitig legitim, solange man es nur fortführen kann, und einzig und allein bei den Seinen.
Außerhalb gibt es kein heiliges noch irdisches Recht, ausgenommen das, sich zu verändern, seine Pläne zu vervollkommnen und einen neuen Aufruf an die Aktionäre ergehen zu lassen.

Keine Verbannungen mehr, weder Beschlagnahmungen noch Verfolgungen irgendwelcher Art. Die Regierung, die zerfällt, meldet bei ihren Gläubigern Konkurs an. Wenn sie ehrenhaft gewesen und ihre Buchführung in Ordnung ist, wenn sie die Statuten, verfassungsmäßige oder andere, getreulich beachtet hat, kann sie ihren Palast erhobenen Hauptes verlassen und auf das Land ziehen, um sich in ihren Memoiren zu rechtfertigen. Unter anderen Umständen, wenn die Ideen sich ändern, wird in dem Gesamtstaat eine Lücke spürbar, es fehlt irgendetwas Bestimmtes, untätige oder unzufriedene Aktionäre suchen eine Stelle, wo sie ihr Geld anlegen könnten etc.; schnell lässt man sein Programm vom Stapel, sammelt Beitrittserklärungen und, wenn man glaubt, stark genug zu sein, geht man nicht auf die Straße, wie man es in einem Aufstand bezeichnet, sondern begibt sich zum Amt für politische Zugehörigkeit. Man gibt seine Erklärung ab, die man durch die Hinterlegung eines Exemplars seiner Satzungen und einer Liste, in die sich die Anhänger eintragen können, stützt, und schon gibt es eine Regierung mehr.

Das Übrige sind innere Probleme, sozusagen innerfamiliäre Angelegenheiten, und die Teilnehmer allein sind befugt, sich darum zu kümmern.

Ich schlage eine Mindestgebühr für Eintragungen und Änderungen vor, die die Angestellten des Büros für politische Zugehörigkeit als ihren Gewinn einnehmen. Einige hundert Francs für die Gründung einer Regierung, einige Centimes, um als Einzelner von der einen zur anderen überzutreten. Die Angestellten werden keinerlei anderes Gehalt beziehen, aber ich stelle mir vor, dass sie nicht zu schlecht bezahlt sein und dass diese Büros recht viel besucht werden.

Sind Sie nicht von der Einfachheit dieses Räderwerks überrascht, von diesem gewaltigen Mechanismus, den ein Kind handhaben könnte, und der dennoch alle Bedürfnisse befriedigt?

Durchsuchen Sie es, tasten Sie es ab, durchforschen und zergliedern Sie es. Ich fordere Sie auf, es in irgendeinem Punkte fehlerhaft zu finden. Auch bin ich überzeugt, dass niemand es übel nehmen wird: Der Mensch ist so geartet. Es ist gerade diese Überzeugung, die mich verleitet meine Idee zu veröffentlichen.
In der Tat, wenn ich keine Anhänger finde, so ist all dass nichts weiter als eine Gedankenspielerei, und keine bestehende Macht, keine Mehrheit, keine Vereinigung, niemand schließlich, verfüge er über was immer es auch sei, hat das Recht, mir etwas zu verdenken."

Und wenn sie mich also ganz zufällig überzeugt haben?

Psst... Sie könnten mich kompromittieren!

 


 

Notiz von John Zube

Ulrich von Beckerath, 1882-1969, wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg auf diesen Aufsatz durch eine Stelle in einem der vielen Werke von Wilhelm Roscher aufmerksam, die ich jedoch in den mir zugänglichen Werken Roschers noch nicht gefunden habe. Wer kennt sie?
Während des ersten Weltkrieges versuchte Beckerath, der als Bote unterwegs war und extra dazu von seiner Route abwich, das Exemplar in der Königlichen Bibliothek in Brüssel einzusehen. Dabei wurde er von der Militärpolizei als Spion verhaftet und beinahe erschossen. Erst kurz vor meiner Auswanderung 1959 war es mir möglich, Brüssel zu besuchen und eine Kopie zu bestellen.
Die erhielt ich schließlich und sandte eine Kopie davon an Beckerath, die jetzt noch in seinen verbleibenden Papieren, im Besitz von Eckard Duewal, vergraben ist. Meine Übersetzung gab ich an Adrian Falk, mit dem ich Verbindung verlor, da ich nicht glaubte, mir ihren Druck leisten zu können.

Gian Piero de Bellis verschaffte sich eine Kopie von einer anderen Quelle, digitalisierte sie und sandte sie mir per E-Mail. Aber mein Programm hat diese Fassung nicht richtig übertragen können. So sandte er mir eine Photokopie, die ich verfilmen werde und mit der ich meine HTML-Version korrigieren kann. Dann brauche ich nur noch ein Programm um die akzentuierten Vokale auch auf meinem neuen Drucker, KYOCERA FS 1800, ausdrucken zu können. Bis jetzt streikt er dabei.
Die Photokopie ist nicht schlecht, aber zum Verfilmen immer noch nicht ideal.

De Bellis hat für diesen und andere Texte eine neue Website geschaffen:
http://www.panarchy.org
und würde diesem Thema auch gerne eine CD-ROM gewidmet sehen.
Er beabsichtigt, diesen Text ins Italienische zu übersetzen, vielleicht in diesem Sommer, und bat mich um den deutschen Text.

PIOT, John Zube, 9.6.2001

 


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